Motivation und Bewegung für Kinder (Interview mit Dr. Roman Braun)

Übergewicht bei Kindern nimmt immer mehr zu, denn Bewegung ist in der heutigen Gesellschaft leider oft Mangelware. Viel lieber sitzt der Nachwuchs vor dem Fernseher, Computer oder Smartphone anstatt sich moderat zu bewegen und/oder einer Sportart nachzugehen. Roman Braun ist Doktor der Psychologie und erklärt wie wir den so wichtigen Sport an unsere Kinder bringen können.

Dr. Roman Braun studierte Psychologie und Pädagogik an der Universität Wien. Dr. Roman Braun studierte Psychologie und Pädagogik an der Universität Wien. (Foto by: Trinergy International)

fitundgesund.at: Wieviel Bewegung braucht ein Kind? Warum ist Bewegung so wichtig und welche Vorteile können genannt werden?

Dr. Roman Braun: Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollten sich Kinder und Jugendliche mindestens 60 Minuten am Tag moderat, beispielsweise beim Radfahren oder intensiv wie im Schulsport, bewegen. Dabei trainieren sie automatisch durch einen Mix aus verschiedenen Bewegungsformen ihre Geschicklichkeit, Koordination, Kraft und Ausdauer – allesamt Eigenschaften, die für eine optimale körperliche Entwicklung bei Kindern wichtig sind. 

fitundgesund.at: Es heißt auch, dass regelmäßige Bewegung schlau macht und dadurch das Lernen leichter fällt. Wie kann diese Behauptung begründet werden?

Dr. Roman Braun: Das lässt sich mittlerweile mit Forschungsergebnissen aktueller Studien begründen: Demnach werden bei Bewegung nicht nur Muskeln, sondern auch die Durchblutung im Gehirn verbessert. Die zusätzliche Ausschüttung körpereigener Stoffe wie das Dopamin und Noradrenalin unterstützen die Gedächtnisbildung zusätzlich. Es ist somit erwiesen: Kinder, die regelmäßig körperlich aktiv sind, stärken dadurch automatisch ihre Lern- und Konzentrationsfähigkeit.

Ein wichtiger Einfluss für Kinder ist das Spielen und der Umgang mit ihren Freunden Ein wichtiger Einfluss für Kinder ist das Spielen und der Umgang mit ihren Freunden (Foto by: pressmaster / Depositphotos)

fitundgesund.at: Sport vor oder nach der Hausübung – was empfehlen Sie?

Dr. Roman Braun: Schon Paul Valéry, der französischen Dichter und Philosoph, brachte mit den Worten „Alles beginnt mit einer Unterbrechung“ zu Papier, wie bedeutsam Pausen sind, um einer Sache Kontinuität zu verleihen. Übertragen auf den Lernerfolg heißt das: Pausen während dem Lernen sind wichtig für die erfolgreiche Absolvierung – umso besser, wenn diese dabei mit sportlichen Aktivitäten gefüllt werden.

Denn Sport fördert nicht nur die Konzentration. Er regt die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns an, wodurch der Körper einen Cocktail an Glückshormonen ausschüttet – und mit guter Laune geht die Hausübung sprichwörtlich fast wie alleine aus der Hand. 

fitundgesund.at: Was können die Folgen mangelhafter Bewegung sein?

Dr. Roman Braun: In vielen Langzeitstudien wurde festgestellt, dass zu wenig Bewegung sehr schädlich für Kinder ist – die Langzeitfolgen sind alarmierend.  Der Bewegungsmangel wirkt sich dabei nicht nur negativ auf die motorische Entwicklung aus und verursacht Übergewicht. Bei Bewegungsmangel wird nachweislich die Durchblutung des Gehirns gemindert, was wiederum zu Konzentrationsmangel und Lernschwäche führen kann. 

fitundgesund.at: Wie können Eltern ihre Kinder am besten zu Sport und Bewegung motivieren?

Dr. Roman Braun: Ganz wichtig ist hier die Vorbildfunktion. Karl Valentin, der deutsche Komödiant, erkannte treffend: „Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach“. Was nichts anderes bedeutet als, so man möchte, dass sich Kinder mehr bewegen, sollte man als gutes Beispiel vorangehen. Mein Tipp: Leben Sie den Kindern einen aktiven Lebensstil vor – fahren Sie mit dem Fahrrad zur Arbeit, gehen Sie kurze Strecken zu Fuß oder nehmen Sie die Stiege statt der Rolltreppe.

Gemeinsam als Familie Sport zu machen kann die Freude an Bewegung stärken Gemeinsam als Familie Sport zu machen kann die Freude an Bewegung stärken (Foto by: Deklofenak / Depositphotos)

fitundgesund.at: Inwieweit werden Kinder auch von anderen Kindern in Bezug auf Bewegung beeinflusst?

Dr. Roman Braun:  Bei Kindern steigt mit zunehmenden Alter auch die Einflussnahme durch ihre Umwelt. Ist die Vorbildfunktion von Eltern bei Kindern bis ins Volksschulalter noch enorm wichtig und grundlegend, so spielt danach der Freundeskreis des Kindes bis zur Pubertät eine tragende Rolle. 

fitundgesund.at: Viele Eltern haben Angst, dass sich ihr Kind beim Sport verletzen könnte. Wie können sie das überwinden?

Dr. Roman Braun: Überfürsorglichkeit von Eltern führt schnell zum sogenannten „Helicopter Parenting“. Ein Erziehungsstil, bei dem Eltern ständig die Kontrolle über die Kleinen behalten möchten. Sie sollten sich daher unbedingt bewusst sein, dass der Grat zwischen elterlicher Fürsorge und permanenter Kontrolle schmal ist und die Kleinen schnell in ihrer freien Entfaltung einschränkt - worunter vor allem deren Selbstständigkeit und auch das Selbstvertrauen leidet.

Mein Tipp, um der Angst nicht zur groß werden zu lassen: Denken Sie an die Zeit zurück, als Sie ohne Ellbogenschutz auf Bäumen geklettert sind oder auf dem Fahrrad unterwegs waren. Sicher sind wir damals auch mal hingefallen und hatten mal die ein oder andere kleinere Verletzung – gut überlebt haben wir es schließlich trotzdem.

fitundgesund.at: Empfiehlt sich Sport eher in einem Verein oder mit der Familie? Wieviel Mitspracherecht sollte das Kind dabeihaben?

Dr. Roman Braun: Der Sport in Vereinen ist grundsätzlich empfehlenswert, denn er verbessert die sozialen Fähigkeiten von Kindern. Speziell beim Turnen mit anderen müssen Kinder Regeln einhalten und lernen Rücksicht auf andere zu nehmen. Gerade im Teamsport lernen sie gemeinschaftlich für etwas verantwortlich zu sein und verbessern dadurch eine wichtige soziale Kompetenz: Kooperationsbereitschaft. Es ist gut, Kinder schon früh Entscheidungen fällen zu lassen – so auch bei der Wahl der Sportart oder eben eines Vereins.

Ein Problem dabei ist, dass Kinder bis zum sechsten Lebensjahr viele Informationen aus der Umwelt in ihren Entscheidungsprozess mitbeinbeziehen. Demnach fließen dabei objektiv irrelevante Entscheidungen ein, wie auch wahrscheinliche. Eltern sollten bis zum Volksschulalter der Kleinen eine Balance zwischen Führung und Selbständigkeit finden.

Diplomatisch könnten Eltern die Wahl einer Sportart so angehen: „Möchtest du lieber in Verein X oder Y sein?“ Durch diese Fragestellung wissen Kinder, dass sie nichts verlieren können und freuen sich über die Freiheit ihrer Auswahlmöglichkeiten.  

fitundgesund.at: Welcher Sport ist in welchem Alter empfehlenswert (Kleinkinder, Schulkinder, Teenager)?

Dr. Roman Braun: Hier kann klar in drei Kategorien unterteilt werden: 

  1. Im Vorschulalter führt jede sportliche Betätigung gleichzeitig zu einer neurologischen Entwicklung. Vor allem Sportarten, die dabei die Koordination von den Kleinen verbessern, unterstützen diesen Entwicklungsprozess enorm. Gemeinsames Bälle fangen oder Purzelbäume schlagen, hilft dabei die Koordination sowie die Motorik des Kindes zu schulen und den Gleichgewichtssinn zu stärken.
  2. Im Volksschulalter stehen Kräftigung und Ausdauer im Fokus. Für viele Kinder ist jetzt das Turnen der Einstieg in den Sport, bei denen sie ihre Beweglichkeit auch ohne die Eltern auf die Probe stellen können.
  3. In der Pubertät, sprich im Teenager-Alter, spielt hauptsächlich Ausdauer eine essenzielle Rolle. Die Aktivität und Mitgliedschaft einer Mannschaft, wie beispielsweise in einem Eishockey-Team, ist nun empfehlenswert. Teenager werden dabei sportlich effektiv gefördert und zudem sozial gefestigt.

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Autor: Dr. Roman Braun
Infos zum Autor: Mental- und Lebenscoach
Erstellt am: 26.09.2019
Überarbeitet am: 10.10.2019

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