FitundGesund.at: Laut Umfragen leiden 50 bis 70 Prozent der ÖsterreicherInnen im Frühjahr unter Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Antriebslosigkeit. Was hat es mit dem Phänomen Frühjahrsmüdigkeit auf sich? Welche Ursachen stecken dahinter?
Alexandra Gelny: Die Ursachen für Frühjahrsmüdigkeit sind noch nicht restlos geklärt.
Allerdings dürfte feststehen, dass sie mit einer Umstellung des hormonellen Gleichgewichts zusammenhängt. Im Winter setzt das Gehirn durch den Lichtmangel wenig Serotonin (das „Gute-Laune-Hormon“) frei, dafür umso mehr Melatonin, das schläfrig macht.
Im Frühling werden die Tage wieder länger und heller, der Körper stellt sich um. Es gilt: „Serotonin rauf, Melatonin runter!“. Das ist eine gewisse Anstrengung, die viele Menschen spüren.
Hinzu kommt die Anpassung an große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, speziell am Anfang des Frühlings. Die Blutgefäße müssen sich ständig erweitern und verengen – das kann zu einem niedrigen Blutdruck führen.
FitundGesund.at: Wodurch kann sich eine typische Frühjahrsmüdigkeit äußern?
Alexandra Gelny: Betroffene klagen über folgende Symptome:
- Müdigkeit
- Abgeschlagenheit
- Kreislaufprobleme
- Schwindel
- Gereiztheit
Auch Kopfschmerzen und Gliederschmerzen können auftreten. Oft treten die Beschwerden verstärkt in den Wochen kurz nach dem Wechsel zur Sommerzeit auf.
Studien deuten darauf hin, dass sich diese Zeitumstellung vor allem bei abendaktiven Menschen, den „Eulen“, bemerkbar macht und ebenfalls zur Frühjahrsmüdigkeit beitragen kann.
Außerdem sind Personen mit niedrigem Blutdruck häufiger von Frühjahrsmüdigkeit betroffen, ebenso wetterfühlige und ältere Menschen. Je fitter wir generell sind, umso leichter verkraften wir die Wetterumstellung.
FitundGesund.at: Wie kann eine Shiatsu-Behandlung gegen die auftretenden Beschwerden helfen?
Alexandra Gelny: Shiatsu ist eine ganzheitliche Form der Körperarbeit, deren Ursprünge in den traditionellen chinesischen und japanischen Gesundheitslehren liegen.
Übersetzt bedeutet „shi“ Finger und „atsu“ Druck – im Sinne aufmerksamer, achtsamer Berührung.
Shiatsu begreift den Menschen als Gesamtheit und betrachtet unterschiedliche Beschwerdebilder nicht isoliert – es kann daher sowohl entspannend oder erfrischend wirken, denn wir können mit dieser Methode sehr gut auf die unmittelbaren Bedürfnisse der behandelten Person eingehen.
Bei Frühjahrsmüdigkeit kann Shiatsu beispielsweise schnell und wirkungsvoll den Kreislauf anregen. Shiatsu ist auch besonders gut geeignet, um Menschen in Phasen von Veränderungen zu unterstützen.
Wir arbeiten immer mit und nicht gegen Prozesse, die im Körper stattfinden. Während sich also der Organismus einer Person auf die neue Jahreszeit umstellt, setzt Shiatsu genau bei der Unterstützung in diesem Anpassungsprozess an. Wenn sich jemand mit der Umstellung schwertut, kann sich das für uns in einem Ungleichgewicht der Körperenergie Qi zeigen - Shiatsu hilft, das Qi in Schwung und wieder in Balance zu bringen.
Meist empfiehlt es sich bei Shiatsu nicht nur eine einzige Behandlung, sondern eine Behandlungsserie zu machen.
FitundGesund.at: Inwiefern beeinflussen der persönliche Lebensstil und die Ernährungsgewohnheiten das Auftreten der Symptome? Worauf sollten Betroffene achten?
Alexandra Gelny: Kurz gesagt: Rausgehen und Bewegung machen. Alles, was den Körper aktiviert und seine Anpassungsfähigkeit unterstützt, kann helfen. Sport ist gut, aber auch regelmäßige Spaziergänge unter freiem Himmel wecken die Lebensgeister.
Ebenso wichtig ist es, die eigene Schlafroutine so anzupassen, dass man tatsächlich zu genügend und vor allem zu erholsamem Schlaf kommt. Dazu gehört es, den Schlafraum möglichst dunkel und nicht zu warm zu halten. Spätestens eine halbe Stunde vor dem Zubettgehen sollte man Smartphone, Tablet, Fernseher und Notebook ausschalten und weglegen – einerseits aktiviert die Informationsflut, vor allem aber hemmt das blaue Licht der Bildschirme die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonins. Morgens nach dem Aufstehen hingegen sollte man rasch ins (Sonnen-)Licht.
Zudem empfehlen Experten die Ernährung auf die wärmere Jahreszeit umzustellen. Das heißt, leichtere und kürzer gekochte Speisen bevorzugen. Weniger Fleisch, mehr Gemüse.
Ideal zu Salaten passen auch selbstgezogene Sprossen. Kresse, Bockshornklee, Alfalfa enthalten zahlreiche Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe und machen uns damit fit und munter. Auch frischer Bärlauch, der derzeit in zahlreichen Waldgebieten wild wächst, ist der ideale Frühjahrsboost.
FitundGesund.at: Welche Hausmittel gegen Frühjahrsmüdigkeit haben sich als besonders effektiv erwiesen (Kräuter, Tee trinken, Bewegung, etc.)?
Alexandra Gelny: Am wichtigsten sind die bereits genannten Dinge - Bewegung an der frischen Luft, ausreichend Schlaf und eine angepasste Ernährung. Darüber hinaus gibt es ergänzend natürlich noch eine Menge guter Hausmittel, um die Frühjahrsmüdigkeit zu bekämpfen.
So können Kräutertees mit getrockneten Brennnesseln, Löwenzahn und Birkenblättern den Stoffwechsel unterstützen und die Nieren- und Darmfunktion anregen.
Ihr Körper braucht jetzt auch verstärkt Vitamin E – aus Nüssen, Weizenkeimen und -öl, Eiern, Vollkornprodukte – und Vitamin C, zum Beispiel aus Paprika, Zitrusfrüchten, frischem Sauerkraut und Erdbeeren.
Gegen wintermüde Augen können Spinat, Broccoli, Karotten, Bohnen, Fisch, Marillen sowie alle roten Obst- und Gemüsesorten helfen.
Außerdem ganz wichtig: Trinken Sie viel Wasser, um Ihren Körper und vor allem Ihre Blutgefäße gut mit Flüssigkeit zu versorgen. Wenn der Blutdruck durch die steigenden Temperaturen sinkt, kann Wasser ihn wieder anheben.
FitundGesund.at: Gibt es Übungen für Zuhause, die die Symptome lindern können und die Lebensenergie in Schwung bringen?
Alexandra Gelny: Der richtige Start in den Tag ist hier besonders wichtig. Raus aus den Federn, Fenster auf, um frische Luft und Licht hereinzulassen, und dann täglich etwas Morgengymnastik. Zehn Minuten täglich können hier einen großen Unterschied machen.
Auch Wechselduschen sind ideal, um den Kreislauf zu aktivieren – zuerst heiß, dann eiskalt und nicht zu kurz. Regelmäßigkeit ist wichtig, sie hilft dem Körper bei der Umstellung.
Hier ein paar Shiatsu-inspirierte Übungen, die helfen können:
Diese Übung bringt Ihre Atmung und Ihren Kreislauf in Schwung – wir würden sagen „sie regt Ihr Lungen-Qi an“: Stehen Sie mit Ihren Füßen etwa hüftbreit mit gutem Kontakt zum Boden. Mit dem Einatmen machen Sie einen Ausfallschritt nach vorne und führen gleichzeitig Hände und Arme weit nach oben, dann mit dem Ausatmen in einer kreisförmigen Bewegung nach außen und wieder nach unten, während Sie den Fuß wieder nach hinten bringen und in den Stand zurückkommen. Wiederholen Sie die Bewegung einige Male, machen Sie den Schritt abwechselnd mit dem linken und rechten Fuß. Spüren Sie die Öffnung in Ihrem Brustraum und in den Schultern und Ihre tiefe Atmung.
Diese etwas schwungvollere Übung aktiviert – wir würden sagen „sie regt Ihr Leber- und Gallenblasen-Qi an“: Stehen Sie etwa hüftbreit, lassen Sie Ihre Arme locker hängen. Beginnen Sie jetzt, das Gewicht leicht von links nach rechts zu verlagern und sich dabei mit dem Oberkörper mitzudrehen, nehmen Sie Ihre Arme ohne Anstrengung mit und beginnen Sie so auf beide Seiten zu drehen und zu schwingen. Spüren Sie dabei, wie sich Ihre Wirbelsäule mitdreht und mobilisiert, wie sich die Schultern lockern. Lassen Sie Ihre Hände im Schwung am Oberkörper landen – damit stimulieren die Hände auch die Energie der Nieren, das erfrischt.
Gegen müde Augen hilft diese Übung: Reiben Sie Ihre Handflächen aneinander, dann berühren Sie mit Ihren Fingerspitzen leicht Ihre geschlossenen Augen. Beginnen Sie nun mit ganz sanft kreisenden Bewegungen Ihre Augäpfel zu massieren.
FitundGesund.at: Welche Vorteile ergeben sich durch Shiatsu? Wie läuft eine Behandlung ab und für wen ist diese Praktik geeignet?
Alexandra Gelny: Shiatsu ist für jeden geeignet, vom Säugling bis zum Senior.
Das Besondere an Shiatsu ist, dass wir jede Behandlung sehr individuell auf die Bedürfnisse unserer KlientInnen abstimmen können.
Die Methode könnte auch als „Dialog durch Berührung“ beschrieben werden. Wir setzen durch Druck mit Handflächen, Fingerspitzen, Knien oder Ellenbogen Impulse entlang der Meridiane, jene Leitbahnen der Körperenergie Qi, an denen auch die Akupunktur orientiert ist. Der Organismus reagiert, ohne manipuliert zu werden.
Ergänzend arbeiten wir mit Dehnungen und Rotationen. So werden die Selbstheilungskräfte angeregt. Blockaden lösen sich, das Qi kommt in Schwung. Das wird als wohltuend, oft als vitalisierend, entspannend oder ausgleichend erlebt.
Eine Shiatsu-Behandlung findet meist auf einer Matte auf dem Boden statt und dauert in etwa eine Stunde. Der oder die KlientIn bleibt dabei bekleidet. Am Beginn der ersten Behandlung steht eine ausführliche Anamnese. Jede Shiatsu-Behandlung wird durch ein kurzes Gespräch vor und nach der Behandlung eingerahmt.
Shiatsu ist eine komplementäre Behandlungsform, die keine schulmedizinische Konsultation ersetzt.
Seit 1999 ist Shiatsu in Österreich als eigenständiger Beruf anerkannt, für den eine dreijährige Ausbildung absolviert werden muss. In Österreich kümmert sich der Österreichische Dachverband für Shiatsu (ÖDS) um die Qualitätskontrolle der Aus- und Fortbildung der Shiatsu-PraktikerInnen.
Auf der Verbands-Website findet man ÖDS-zertifizierte Shiatsu-PraktikerInnen ganz in der Nähe: http://www.oeds.at
Vielen Dank für das Gespräch!
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